Erkenntnisse aus den TCG Insights am 25. September 2025
Die deutsche Energiewirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Als geschäftsführender Gesellschafter der CrossLink GmbH und externer Berater für die TCG Process GmbH durfte ich gemeinsam mit Frank Kleigrewe bei den TCG Insights am 25. September 2025 die aktuellen Herausforderungen und Potenziale der Prozessautomatisierung in unserer Branche beleuchten.
Die Energiewirtschaft im Wandel
Mit über 1.500 Energielieferanten, mehr als 900 Grundversorgern und einem jährlichen Umsatz von 560 Milliarden Euro steht die deutsche Energiewirtschaft vor beispiellosen Herausforderungen. Die Energie- und Wärmewende, komplexere Kundenanforderungen, demografischer Wandel und Fachkräftemangel sowie die notwendige Digitalisierung erfordern eine strategische Neuausrichtung der Unternehmen.
Besonders Stadtwerke und Energieversorger müssen sich heute mit einer Vielzahl komplexer Rahmenbedingungen auseinandersetzen: von der Sektorenkopplung über Smart City-Initiativen bis hin zu einer immer komplexeren Regulierung auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.
Digitalisierung als strategischer Imperativ
Eine der wesentlichen Herausforderungen ist die digitale Transformation. Im Mittelpunkt steht dabei der professionelle Umgang mit Daten. Energieunternehmen müssen sich zu echten Datenspezialisten entwickeln und ihre Organisationen datengetrieben aufstellen.
Um die zunehmende Komplexität zu beherrschen und die Transformation des Energiesystems effizient zu gestalten, braucht es digitale Lösungen. Optimierte und – im Idealfall – automatisierte interne Prozesse sind zudem notwendig, um auf die geänderten Bedürfnisse von Kunden reagieren zu können.
Erhebliche Einsparpotenziale durch Automatisierung
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bei der Verarbeitung eingehender Dokumente lassen sich erhebliche Effizienzsteigerungen erzielen. Während einfache Dokumente manuell etwa 5 Minuten Bearbeitungszeit benötigen, können sehr komplexe Dokumente bis zu 60 Minuten in Anspruch nehmen. Durch intelligente Automatisierung sind Zeitersparnisse von 50% bis 90% möglich. Diese Zahlen verdeutlichen den enormen Handlungsbedarf und die Chancen der Prozessautomatisierung.

End-to-End-Automatisierung als Zukunftsvision
Die Lösung liegt in einer ganzheitlichen End-to-End-Automatisierung, die verschiedene Komponenten intelligent miteinander vernetzt:
- Multi-Channel-Input-Management erfasst Dokumente aus allen Eingangskanälen – von E-Mail über Portale bis hin zu Papierdokumenten.
- Intelligent Document Processing (IDP) nutzt KI-gestützte Verfahren zur automatischen Klassifikation und Datenextraktion.
- Business Process Management (BPM) orchestriert die nachgelagerten Fachprozesse nach dem BPMN 2.0 Standard.
- KI-Enablement und Integration ermöglicht die nahtlose Einbindung verschiedener KI-Dienste und die Anbindung an bestehende Unternehmenssysteme.
Praktische Anwendungsbeispiele aus der Energiebranche
Drei konkrete Anwendungsszenarien verdeutlichen die Möglichkeiten:
- Digitalisierung der Eingangspost: Automatische Normalisierung, Klassifikation und Weiterleitung an die entsprechenden Fachbereiche mit intelligentem Fallback auf manuelle Bearbeitung bei Ausnahmefällen.
- Automatisiertes Beschwerdemanagement: KI-gestützte Textanalyse ermöglicht eine schnellere und präzisere Kategorisierung von Kundenanliegen, was zu erheblich reduzierten Reaktionszeiten und höherer Kundenzufriedenheit führt.
- Automatisierte Rechnungsverarbeitung: Von der E-Rechnung bis zur Papierrechnung werden alle Formate einheitlich verarbeitet, validiert und an die ERP-Systeme übergeben.
Erfolgsfaktoren für die Implementierung
Aus meiner über 25-jährigen Erfahrung in der Energie- und Kommunalwirtschaft kann ich bestätigen: Erfolgreiche Prozessautomatisierung erfordert mehr als nur Technologie. Entscheidend sind:
- Strategische Einbettung: Automatisierung muss Teil der digitalen Transformationsstrategie sein
- Change Management: Mitarbeiter müssen von Beginn an eingebunden und qualifiziert werden
- Schrittweise Umsetzung: Ein modularer Ansatz ermöglicht kontinuierliche Verbesserungen
- Integration: Nahtlose Anbindung an bestehende Systeme und Prozesse
Fazit: Prozessautomatisierung als Wettbewerbsfaktor
Die Energiewirtschaft steht vor großen Veränderungen. Unternehmen, die heute in intelligente Prozessautomatisierung investieren, schaffen die Grundlage für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Die Potenziale sind erheblich – von Kostensenkungen über Effizienzsteigerungen bis hin zu verbesserter Servicequalität und Compliance.
Prozessautomatisierung ist längst kein “Nice-to-have” mehr, sondern ein strategischer Imperativ für alle Energieversorgungsunternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen wollen.


Dr. Klaus Neuhäuser ist geschäftsführender Gesellschafter der CrossLink GmbH und seit 2015 Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU). Mit über 25 Jahren Erfahrung in der Energie- und Kommunalwirtschaft berät er Energieversorgungsunternehmen bei ihrer digitalen Transformation.

